26. April Japanreise 2018
Heute besuchen wir die Familie Kadota in Tsuno, gut 150 Km nordöstlich von Kagoshima. Wir fahren mit dem Expresszug der Regionalbahn. Expresszug bedeutet hier nicht schnell. Es heißt nur, dass der Zug nicht an jedem Bahnhof hält. Trotz seines Namens hoppelt er mit nur 90 Km/h über die Schiene. Das Wort „hoppeln“ habe ich mit Bedacht gewählt, weil die Fahrt weit von „dahingleiten“ entfernt war. Aber die Zeit wird einem von einer abwechslungsreichen, vorwiegend grünen Landschaft versüßt.
Die Familie Kadota produziert Kamairicha. Um genau zu sein sind es 6t auf 2,9ha, über 3 Ernten verteilt. 1,8ha davon sind Bio-Zertifiziert. Noch vor 100 Jahren wurde in Japan fast ausschließlich Kamaircha produziert. Bei der Senchaproduktion war, auf Grund der Erhöhung des Wassergehaltes im Blatt beim Dämpfen, das anschließende Trocknen so langwierig, dass der Tee nur zu exorbitanten Preisen angeboten werden konnte. Somit war er der Oberschicht vorbehalten und auch eine Art Statussymbol der gehobenen Gesellschaft. Mit der industriellen Entwicklung, die in den 60er und 70er Jahren auch in der Teeverarbeitung Einzug hielt, konnte der Trocknungsprozess, der vorher Handarbeit war, nun von Maschinen durchgeführt werden. Das senkte den Preis für Sencha und immer mehr Bauern stiegen auf den maschinell produzierten Sencha um. Heute macht Kamaircha weniger als 1% der Teeproduktion Japans aus.
Die Verarbeitung von frisch gepflückten Teeblättern zum fertigen Kamairicha dauert nur 4 Stunden. So lange die frischen Blätter auf die Verarbeitung warten, werden gekühlt gelagert. Dann durchlaufen sie eine gasbeheizte Röhre, in der sie ohne Zugabe von Wasserdampf erhitzt werden. Die Dauer des Erhitzens wird durch den Winkel der Röhre, die die Blätter durchlaufen, gesteuert. Die genaue Dauer des Erhitzens konnte Herr Kadota nicht sagen. Es ist Erfahrungssache. Er riecht, biegt die Stängel, reibt das Blatt zwischen den Fingern, verstellt den Winkel und wiederholt das bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Jetzt sind die Enzyme nicht mehr aktiv und der Tee kann nicht fermentieren. Danach lässt man die Blätter abkühlen.
Jetzt kommt das Rollen. Bei leichtem Druck werden die Blatter ca. 35 Minuten durchgeknetet. Die Zellwände werden aufgebrochen und der Zellsaft tritt aus.
Der Tee kann nun getocknet werden. Wobei er 3 Rotierende Trommeln durchläuft. Die ersten zwei Trommeln haben nur 30 bzw. 34 °C und der Tee bleibt für ca. 30 Minuten in den Trommeln. Die letzte hat 100°C und hier bleibt der Tee 35 bis 50 Minuten. Der Tee wird immer wieder in die Hand genommen und diskutiert. Fühlen, riechen und Erfahrung sind hier die Werkzeuge.
Als letzter Schritt wird der Tee in Woks, den so genannten Kamas, bis zur gewünschten Restfeuchte getrocknet. Die Maschinen sind 120 Jahre alt und wurden in den 60er Jahren von der Familie Morimoto abgekauft. Die alten Maschinen ermöglichen durch ihre offene Bauweise eine Luftzirkulation, die dem Tee ein besonderes Aroma verleihen, eben wie früher.
Aber jetzt wird es Zeit ihn zu probieren. Kamairicha kann man heißer als Sencha aufgießen. Wie haben es mit 90°C versucht. Er war leicht, ohne jede Herbe. Dabei aber sehr ergiebig. Der dritte Aufguss war immer noch toll. Wir haben ihn natürlich gleich geordert. Er wir bei uns Kadota Aracha Shincha heißen. Aracha weil wir ihn nur mit einem Hauch Röstaromen bestellt haben.
Dann hat Herr Kadota noch ein Projekt vorgestellt. Einen Schwarztee. Sie haben ein eigenes Verfahren entwickelt, dessen Einzelheiten allerdings Top-Secret sind. Wir wissen, dass es ein Blend aus der 1. und 3. Ernte ist und wie er schmeckt. Er beginnt mit einer leiten Süße verbunden mit einer Zitrusnote. Den hätten wir auch gern, ob wir ihn letztlich auch bekommen wissen wir leider noch nicht.
Es wieder Zeit zu fahren. Wir haben ja noch die 3 Stunden Rückweg vor uns. Ich habe mich gefreut hier sein zu dürfen. 3 Generationen unter einem Dach und alle ziehen am gleichen Strang. Das ist selten und dann sich das noch so herzliche, nette Menschen. Man muss auch sagen, dass es viel schwerer ist Kamairicha zu verkaufen. Für Sencha gibt es jede Menge Abnehmer, aber für so ein Nieschenprodukt ist der Markt klein und die Preise werden gedrückt. Neben den Tee müssen die Kadotas noch Gemüse anbauen, um über die Runden zu kommen.
Es ist jetzt schon wieder 2 Uhr in der Nacht. Morgen müssen wir aber erst später aufbrechen also wird die Nacht nicht zu kurz.
Wenn man das liest, könnte man meinen wir essen nie. Keine Sorge wir Essen die Bilder sind hier.
Beim Schreiben von diesem Blogeintrag habe ich den 2017er Aracha Shincha getrunken und freue mich schon darauf, dass der 2018er in München eintrifft………Frank Wiebach
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