Darjeelingreise 2025 18. April

Heute kommt unser Fahrer erst um 10 Uhr – also genug Zeit, um vorher irgendwo außerhalb ein ordentliches Frühstück aufzutreiben. Unser Hotelfrühstück hat es bislang nämlich nicht geschafft, uns kulinarisch zu begeistern. Also ziehen wir los, voller Hoffnung auf warmen Chai, frische Momos oder zumindest irgendetwas, das den Magen wachkitzelt.

Doch die Stadt ist noch im Schlafmodus. Alles, was nach Frühstück aussieht, hat geschlossen. Und die wenigen Orte, die offen sind… nun ja. Sagen wir so: Unsere deutschen Mägen schicken bei manchen Anblicken innerlich schon ein SOS. Das Vertrauen in Wasserhygiene und Pfannensauberkeit ist hier ein zartes Pflänzchen – und heute nicht stark genug zum Risiko.

Also kehren wir etwas frustriert zurück ins Hotel – und frühstücken doch dort. Wir werden dort mit Videos indischer Popmusik in gehobener Lautstärke überrascht – ein etwas anderer Start in den Tag.

Aber: Die Pilzsuppe, die wir eher aus Neugier bestellt haben, war tatsächlich richtig gut – würzig, kräftig, ehrlich. Und ein wichtiger Hinweis für alle, die hier Tee bestellen wollen: Unbedingt dazu sagen, dass man keinen Zucker möchte. Sonst bekommt man weniger Tee und mehr flüssiges Dessert.

Heute steht die Fahrt nach Siliguri an. Ursprünglich hatten wir noch einen kleinen Abstecher geplant: zum Simik Monastery, einem buddhistischen Tempel, der auf einem Berg thront. Klang nach einer schönen Idee – auf der Karte zumindest.

Das Problem: In dieser Gegend will jeder Ort erklommen werden. Nichts liegt einfach da. Wenn man irgendwo hin will, muss man erst einen Berg runter – und dann natürlich wieder rauf.

Gestern war ein Paradebeispiel für genau diese Art von Höhenmeter-Hopping: Von Gangtok ging es runter ins Tal, dann hoch nach Temi, wieder runter, rauf zum Rumtek Monastery, dann erneut ins Tal – und schließlich zurück nach Gangtok. Jeder einzelne dieser Orte war spektakulär, keine Frage. Aber irgendwann fragt man sich: Muss das wirklich alles so steil sein?
Unser Ziel für heute: Siliguri. Ursprünglich wollten wir unterwegs noch einen Abstecher zum Simik Monastery machen – einem buddhistischen Tempel, der idyllisch auf einem Hügel liegt. Klingt nach einem lohnenden Halt, wäre da nicht ein kleines geographisches Detail: In dieser Gegend bedeutet „mal eben irgendwohin fahren“ in der Regel, dass man zuerst einen Berg runter, dann einen neuen hoch, wieder runter und wieder hoch muss.

Heute hätte uns ein ähnliches Höhenprofil erwartet: Von Gangtok ins Tal, hoch nach Simik, wieder runter und dann erst nach Siliguri.

Als wir dann auch noch erfahren, dass die Straße nach Siliguri streckenweise nur stündlich einspurig befahrbar ist – mit Wartezeiten und Einbahnregelung – entscheiden wir uns: kein Abstecher, keine Schleifen, keine Ehrenrunden. Wir fahren direkt.

Manchmal ist der kürzeste Weg eben doch der sinnvollste – selbst wenn er durch tausend Kurven führt.

Entgegen aller Erwartungen und trotz aller Kurven, Steigungen und Straßenlegenden: Wir kommen erstaunlich gut durch. An beiden berüchtigten Bottlenecks, die die Strecke nach Siliguri sonst gerne zur Geduldsprobe machen, haben wir unglaubliches Timing – sie sind genau in unsere Richtung geöffnet, als wir ankommen.

Mit einer kleinen Pause zwischendurch schaffen wir es tatsächlich, fünf Stunden später nur noch zehn Kilometer vor Siliguri zu stehen. Eine unglaubliche Fahrleistung – für gerade mal 100 Kilometer.

Zur Erinnerung: Wir sind mit dem Auto unterwegs. Nicht mit dem Fahrrad. Auch wenn sich beides zwischendurch ungefähr gleich schnell anfühlt.

Zehn Kilometer vor Siliguri beschließen wir spontan: Jetzt ist doch noch Zeit für einen kleinen Abstecher. Wir fahren zum Evam India Buddhist Monastery, einem ruhigen, eindrucksvollen Tempelkomplex mit angeschlossener Klosterschule – ein Ort der Stille, der Lehre und des Rückzugs. Zumindest im Inneren.

Im Tempel selbst sind alle Besucher spürbar respektvoll. Einige sitzen schweigend in Meditation, andere machen einen tiefen Kotau und versinken ins Gebet. Die Atmosphäre ist ruhig, fast andächtig – getragen vom Duft des Räucherwerks und den leisen Murmeln der Gebete.

Draußen sieht es dann ein wenig anders aus: Die beeindruckende Architektur und das goldene Dach bieten eine perfekte Kulisse für Selfies und Instagram-Videos. Posen, Perspektiven, Filter – spirituelle Selbstdarstellung trifft auf digitale Reinkarnation. Ein bisschen absurd, aber auch irgendwie typisch für die Reise durch dieses Land voller Gegensätze.

Direkt am Evam India Buddhist Monastery entdecken wir einen Zuckerrohrstand. In einer robusten, quietschenden Presse, die aussieht wie eine Kreuzung aus Mangel und Walze, wird das frische Zuckerrohr zu Saft verarbeitet. Heraus kommt eine milchig-gelbe Flüssigkeit – süß, fruchtig, frisch. Natürlich probieren wir ihn direkt vor Ort. Und der Geschmack? Wirklich gut. Ich gebe ihm spontan eine solide 8 von 10 Punkten.

Spannend ist auch: Sobald man hier Obst oder Gemüse kauft – sei es am Marktstand, im kleinen Laden oder eben auch am Zuckerrohrstand – ist es selbstverständlich immer „organic“. Ohne Label, ohne Verpackung, ohne Siegel – einfach so, weil es eben direkt vom Feld kommt.

Da wir seit dem eher überschaubaren Frühstück nichts mehr gegessen haben – abgesehen von einem Glas Zuckerrohrsaft und ein paar Höhenmetern – ist es dringend Zeit für etwas Richtiges. Und vor allem: etwas Scharfes.

Wir fahren in ein Restaurant, das uns empfohlen wurde – und lassen es uns dort richtig schmecken. Gewürze, Dampf, Chili. Endlich wieder Essen, das nicht nur satt macht, sondern auch die Geschmacksknospen aufweckt. Nach einem langen Tag mit Bergen, Tempeln, Saftpressen und spontanem Planwechsel ist dieses Abendessen genau das, was wir gebraucht haben.

Der Tag hätte entspannt ausklingen können – doch Indien hat da noch eine kleine Überraschung für uns parat. Als wir in unser gebuchtes Hotel in Siliguri einchecken wollen, wird uns – trotz bestätigter Reservierung – freundlich, aber bestimmt mitgeteilt: „No foreigners. This hotel is not for foreigners.“

Aha. Kein Hinweis bei der Buchung, keine Erklärung, einfach: kein Zutritt.

Also heißt es nochmal: umplanen, umdrehen, durchatmen. Am anderen Ende der Stadt finden wir zum Glück noch ein freies Hotel und bekommen dort tatsächlich noch Zimmer. Während wir uns durch den abendlichen Verkehr quälen, merken wir sehr deutlich: Wir sind nicht mehr in Sikkim.

Wieder stehen Kühe auf der Straße, es ist laut, staubig, warm. Autos hupen aus Prinzip, Müllberge glitzern im Laternenlicht, der Smog kratzt im Hals. Und ganz ehrlich: Ich vermisse Sikkim. Jetzt schon.

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