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Darjeelingreise 2025 20. April

Heute ist unser letzter Tag in Siliguri – und auch der letzte Ausflug dieser Reise führt uns noch einmal dorthin, wo alles grüner, ruhiger und luftiger ist: in die Berge. Unser Ziel: Yanky-Tee.

Den Grüntee von Yanky führen wir schon länger in unserem Sortiment – ein Tee, der für sich spricht. Fein, klar, frisch. Aber heute wollen wir mehr als nur das fertige Produkt. Wir wollen sehen, wie und wo er entsteht. Wer ihn macht. Welche Hände die Blätter pflücken, welch ein Boden sie nährt und welche Ideen dahinterstecken.

Wir frühstücken heute etwas später. Zum einen ist die Fahrt nicht weit – zum anderen wissen wir seit gestern, dass um 8 Uhr sowieso noch kein Frühstück auf dem Tisch steht. Wieder was gelernt.

Unser Hotel liegt direkt am Busbahnhof – und so werden wir beim Frühstück bestens unterhalten. Keine Musik, kein Fernseher – sondern das Live-Spektakel der Busbeladung. Ich finde es einfach nur verblüffend, mit welcher Leichtigkeit die Männer riesige Ballen auf dem Kopf balancieren – und dann auch noch eine Leiter damit hochsteigen. Ein Balanceakt zwischen Kraft, Koordination und völliger Selbstverständlichkeit.

Und ganz ehrlich: Es tut gut, der Hitze, dem Trubel und der Lautstärke der Stadt für ein paar Stunden zu entkommen. Die Luft wird kühler, das Tempo langsamer, der Kopf freier.

Also machen wir uns ein letztes Mal auf den Weg – bergauf, durch Kurven, vorbei an Teebüschen und kleinen Siedlungen. Noch einmal eintauchen in die Welt, die sich um eine Pflanze dreht.

Die Fahrt zu Yanky-Tee ist kurzweilig. Sie führt durch sanfte Hügel, vorbei an kleinen Dörfern und immer wieder an Teefeldern, die sich bis zum Horizont ziehen. Eine wunderschöne, ruhige Strecke – ganz ohne die Dramatik der steilen Hochlandstraßen der letzten Tage.

Was einem dabei auffällt: Wir sind hier im Tiefland unterwegs – und trotzdem wachsen hier überall Teepflanzen. Und nicht wenige dieser Blätter landen später wahrscheinlich unter dem edlen Namen „Darjeeling-Tee“ im Verkauf, obwohl sie es offiziell gar nicht sein dürften. Denn nur Tee aus dem Hochland um Darjeeling darf sich auch so nennen. Das Problem: Es wird weltweit deutlich mehr „Darjeeling“ verkauft, als tatsächlich produziert wird. Ein kleiner geographischer Etikettenschwindel mit großer Verbreitung.

An der kleinen Teefabrik von Yanky-Tee angekommen, werden wir herzlich empfangen – von Di. Sie bittet uns, sie einfach so zu nennen, denn ihren eigentlichen Namen könnten wir mit unseren europäischen Zungen vermutlich sowieso nicht richtig aussprechen. Ein sympathischer Einstieg.

Di gehört zum indigenen Volk der Limbu, einer ethnischen Gruppe mit tiefer Verwurzelung im östlichen Nepal sowie in Teilen von Sikkim und Westbengalen. In Indien leben laut Volkszählung rund 100.000 Limbu, vor allem im Distrikt Darjeeling. In Nepal zählen sie zu den offiziell anerkannten indigenen Völkern – dort leben etwa 400.000 Angehörige dieser Gemeinschaft.

Die Limbu sprechen ihre eigene Sprache, Limbu (Yakthungpan), die zu den kiranti-tibetobirmanischen Sprachen gehört, und haben eine reiche mündliche Überlieferung – darunter epische Lieder, Ahnenrituale und Naturglauben. Ihre traditionelle Religion, die Yumaism, verehrt die Natur und die Vorfahren, auch wenn heute viele Limbu den Buddhismus oder Hinduismus praktizieren – teils vermischt mit alten Riten.

Die Gesellschaft der Limbu ist geprägt von starken familiären Bindungen, Respekt gegenüber Älteren und einer tiefen Verbindung zur Erde. Viele leben vom Ackerbau, Teeanbau, Handwerk oder zunehmend auch im Bildungssektor. Frauen spielen in der Limbu-Kultur traditionell eine wichtige Rolle, sowohl im Haushalt als auch im wirtschaftlichen Leben – wie Di, die hier nicht nur Tee produziert, sondern auch die Geschichte ihrer Gemeinschaft repräsentiert.

Di spricht sehr gutes Englisch, ist offen, herzlich und führt uns mit einer angenehmen Ruhe durch die kleine Produktion.

Die Fabrik ist größer, als wir erwartet haben. Nicht hochglanzpoliert, nicht durchdesignt – aber lebendig. Es ist nicht überall ordentlich im klassischen Sinn, aber man merkt schnell: Jeder hier hat sein System. Eine eigene Logik, die funktioniert.

Wir werden zuerst durch die einzelnen Schritte der Schwarzteeproduktion geführt. Vieles ist uns inzwischen vertraut, und doch gibt es immer wieder kleine Unterschiede. Hier wird der Tee 16 Stunden gewelkt, in Jungpana waren es 18 Stunden. Der Trockner läuft hier bei 240 Grad Fahrenheit für 26 Minuten, bei anderen Produzenten waren es 250 Grad für 21 Minuten.

Kleine Zahlen, große Wirkung. Es zeigt, wie sensibel Tee auf Temperatur, Zeit und Handhabung reagiert – und wie sehr sich jede Fabrik ihre eigenen Parameter erarbeitet hat. Tee ist Tee – und doch ist jede Charge ein eigenes kleines Universum.

Aber eigentlich sind wir ja nicht für den Schwarztee hier. Uns interessiert vor allem der Grüntee, den wir bereits führen – und den wir jetzt endlich an seinem Ursprung erleben wollen.

Für die Produktion des Grüntees wird größtenteils das gleiche Equipment verwendet wie für den Schwarztee. Die Wege, die Maschinen, die Räume – vieles ist identisch. Der entscheidende Unterschied passiert ganz am Anfang.

Direkt nach der Ernte werden die frischen Blätter in großen Dämpfkörben behandelt – etwa zwei Minuten lang, um verschiedene Enzyme zu deaktivieren und die Oxidation zu stoppen. Das verhindert, dass die Blätter dunkel werden, und bewahrt das frische, grüne Aroma.

Optisch erinnert das Ganze tatsächlich an das Dämpfen von Dumplings in einem asiatischen Restaurant – große Metallkörbe, unter denen der Wasserdampf aufsteigt, während sich im Inneren langsam der Charakter des Tees formt.

Nach dem Dämpfen werden die Blätter für eine gewisse Zeit draußen auf die Straße gelegt – an genau der Stelle, wo normalerweise der Schwarztee zum Welken ausgebreitet wird. Hier verlieren sie schonend einen Teil ihrer Feuchtigkeit, bevor es an den nächsten Arbeitsschritt geht.

Dann wird’s handgemacht: Der Tee wird von Hand gerollt – mit viel Gefühl und Erfahrung. Ein arbeitsintensiver Prozess – aber einer, den man im späteren Geschmack ganz klar spürt Und schließlich wandert er in den Etagentrockner, wo er langsam und gleichmäßig seine Restfeuchtigkeit verliert und seine endgültige Form und Struktur annimmt.

Anschließend ist es Zeit für die Verkostung. Wir sitzen zusammen, trinken Tee und kommen ins Gespräch – über die Unterschiede zwischen Indien und Deutschland, über Arbeit, Alltag und natürlich über Tee.

Und obwohl die Unterschiede groß sind, findet man überraschend viele Gemeinsamkeiten – in der Haltung zur Arbeit, im Stolz auf Qualität, in der Freude am Teilen eines Moments über einer Tasse Tee.

Besonders spannend: Wir probieren einen handgerollten First Flush, von dem ich bisher nicht wusste, dass er überhaupt hier produziert wird. Eine echte Entdeckung. Der Tee ist fein, lebendig, floral – mit einer ganz eigenen Handschrift.

Ich nehme ein Sample mit nach München, um zu testen, wie er sich mit unserem Wasser entfaltet. Denn wie wir gelernt haben: Ein Tee ist nie nur das, was ins Päckchen kommt – er wird erst zu dem, was er ist, wenn Wasser, Zeit und Umgebung mitspielen.

Nach der Verkostung besuchen wir noch einen der Teegärten, aus dem die Blätter für Yanky-Tee stammen. Und sofort fühlen wir uns ein wenig an Ashwritas Garten erinnert: auch hier wächst der Tee nicht in Reih und Glied, nicht als Monokultur, sondern inmitten einer lebendigen, wilden Landschaft.

Zwischen den Teebüschen sprießen Farne, Bäume und andere Pflanzen, die hier ihren Platz behalten dürfen. Der Garten wirkt fast wie ein Stück Wald mit Tee dazwischen – nicht wie eine Plantage, sondern wie ein intaktes Ökosystem.

Sogar Hanf wächst hier – nicht für den Export, sondern als natürlicher Begleiter am Rand. „Für die Entspannung nach Feierabend“, wird uns augenzwinkernd erklärt.

Wir sehen Spinnen, Eidechsen und hören das Rascheln vieler anderer tierischer Bewohner, die sich uns lieber verborgen halten. Alles wirkt im Gleichgewicht, alles scheint sich hier gegenseitig zu respektieren – Mensch, Pflanze, Tier.

Ein Garten, der nicht nur Tee produziert, sondern auch ein Lebensraum ist – lebendig, vielfältig und beeindruckend ruhig.

Nach dem Besuch im Teegarten werden wir zum Essen eingeladen – eine warme, herzliche Geste, die genauso selbstverständlich wirkt wie alles andere hier. Serviert werden ausschließlich traditionelle Gerichte der Limbu-Küche, zubereitet mit Zutaten direkt aus dem Dorf, in dem wir gerade zu Gast sind.

Das Essen ist vorzüglich. Und: überraschend mild. Offenbar ist die Limbu-Küche deutlich weniger scharf als vieles, was wir bisher auf dieser Reise probieren durften – sehr zur Freude unserer mittlerweile gut trainierten, aber trotzdem vorsichtigen Geschmacksnerven.

Besonders verblüfft war ich, als ich plötzlich ein Gericht entdecke, das mir seltsam vertraut vorkommt: Kartoffelgratin – oder etwas sehr Ähnliches. Nur wird hier natürlich keine Sahne verwendet, sondern ein lokaler Käse, der dem Ganzen eine ganz eigene, herzhafte Note verleiht. Rustikal, ehrlich, richtig gut.

Das gemeinsame Essen rundet den Besuch perfekt ab. Tee, Garten, Gespräche, Kultur – und jetzt noch eine Mahlzeit, die nicht nur satt macht, sondern verbindet.

Weil wir früher als gedacht aus dem Teegarten zurück sind, bleibt uns noch ein wenig Freizeit im Hotel. Eine willkommene Pause nach den vielen Eindrücken des Tages. Wir nutzen die Zeit, um uns frisch zu machen, ein bisschen durchzuatmen und ganz nebenbei auch schon mal die ersten Sachen zusammenzupacken. Das fühlt sich merkwürdig final an – der Abschied rückt näher.

Am Abend treffen wir uns noch einmal – diesmal in einem Restaurant mit bengalischer Küche. Es soll der letzte kulinarische Höhepunkt werden, und wir lassen es nochmal richtig krachen. Chili? Ja, bitte. Gewürze? Gerne noch eine Prise mehr. Und zum ersten Mal auf dieser Reise steht Mutton auf dem Tisch – zart, kräftig, voll im Geschmack.

Ein würdiger Abschluss für diese Reise voller Aromen, Begegnungen und Geschichten. Und ein Abend, an dem es sich leicht anfühlt, einfach zu genießen.

Und plötzlich ist er da – der letzte Abend. Wie immer kommt er schneller, als man denkt. Die Tage, die sich manchmal zogen wie die Straßen in den Bergen, sind rückblickend verflogen wie eine Tasse dampfender Tee an einem kühlen Morgen.

Wir haben viel gesehen, noch mehr erlebt, einiges probiert – kulinarisch, kulturell, körperlich. Wir sind über Straßen gefahren, die kaum welche waren, haben Menschen getroffen, die uns willkommen geheißen haben, und Orte besucht, von denen wir noch lange erzählen werden.

Sikkim, Darjeeling, Siliguri – es sind nicht nur Namen auf der Karte geworden, sondern Kapitel in unserem Kopf und Herz. Voller Bilder, Gerüche, Geräusche.

Ein Teil von mir würde am liebsten einfach weiterreisen. Vielleicht nach Bhutan. Oder Nepal. Ohne festen Plan, ohne Blog, ohne Liste – einfach nur mit Tee im Gepäck und Zeit im Herzen. Sich treiben lassen, schauen, was kommt.

Aber zugleich freue ich mich ehrlich auf Zuhause. Auf meine Bauernkruste von der Brotmanufaktur Schmidt, dick bestrichen mit Leberwurst vom Fleischer meines Vertrauens. Auf das Gewohnte, das Verlässliche, das Ruhige.

Jetzt heißt es: Taschen packen, letzte Dinge verstauen, ein letztes Mal die Aussicht betrachten – selbst wenn sie nur aus dem Hotelfenster auf einen chaotischen Busbahnhof führt. Es ist der letzte Eindruck vor dem Rückflug. Und auch wenn wir müde sind, ein bisschen erschöpft vielleicht, schwingt da schon wieder dieses leise Fernweh mit.

Denn wer einmal Tee an seinem Ursprung getrunken hat, wer ihn gepflückt, gerochen, gesehen hat – der wird ihn nie wieder einfach nur aufgießen.

Darjeelingreise 2025 18. April

Heute kommt unser Fahrer erst um 10 Uhr – also genug Zeit, um vorher irgendwo außerhalb ein ordentliches Frühstück aufzutreiben. Unser Hotelfrühstück hat es bislang nämlich nicht geschafft, uns kulinarisch zu begeistern. Also ziehen wir los, voller Hoffnung auf warmen Chai, frische Momos oder zumindest irgendetwas, das den Magen wachkitzelt.

Doch die Stadt ist noch im Schlafmodus. Alles, was nach Frühstück aussieht, hat geschlossen. Und die wenigen Orte, die offen sind… nun ja. Sagen wir so: Unsere deutschen Mägen schicken bei manchen Anblicken innerlich schon ein SOS. Das Vertrauen in Wasserhygiene und Pfannensauberkeit ist hier ein zartes Pflänzchen – und heute nicht stark genug zum Risiko.

Also kehren wir etwas frustriert zurück ins Hotel – und frühstücken doch dort. Wir werden dort mit Videos indischer Popmusik in gehobener Lautstärke überrascht – ein etwas anderer Start in den Tag.

Aber: Die Pilzsuppe, die wir eher aus Neugier bestellt haben, war tatsächlich richtig gut – würzig, kräftig, ehrlich. Und ein wichtiger Hinweis für alle, die hier Tee bestellen wollen: Unbedingt dazu sagen, dass man keinen Zucker möchte. Sonst bekommt man weniger Tee und mehr flüssiges Dessert.

Heute steht die Fahrt nach Siliguri an. Ursprünglich hatten wir noch einen kleinen Abstecher geplant: zum Simik Monastery, einem buddhistischen Tempel, der auf einem Berg thront. Klang nach einer schönen Idee – auf der Karte zumindest.

Das Problem: In dieser Gegend will jeder Ort erklommen werden. Nichts liegt einfach da. Wenn man irgendwo hin will, muss man erst einen Berg runter – und dann natürlich wieder rauf.

Gestern war ein Paradebeispiel für genau diese Art von Höhenmeter-Hopping: Von Gangtok ging es runter ins Tal, dann hoch nach Temi, wieder runter, rauf zum Rumtek Monastery, dann erneut ins Tal – und schließlich zurück nach Gangtok. Jeder einzelne dieser Orte war spektakulär, keine Frage. Aber irgendwann fragt man sich: Muss das wirklich alles so steil sein?
Unser Ziel für heute: Siliguri. Ursprünglich wollten wir unterwegs noch einen Abstecher zum Simik Monastery machen – einem buddhistischen Tempel, der idyllisch auf einem Hügel liegt. Klingt nach einem lohnenden Halt, wäre da nicht ein kleines geographisches Detail: In dieser Gegend bedeutet „mal eben irgendwohin fahren“ in der Regel, dass man zuerst einen Berg runter, dann einen neuen hoch, wieder runter und wieder hoch muss.

Heute hätte uns ein ähnliches Höhenprofil erwartet: Von Gangtok ins Tal, hoch nach Simik, wieder runter und dann erst nach Siliguri.

Als wir dann auch noch erfahren, dass die Straße nach Siliguri streckenweise nur stündlich einspurig befahrbar ist – mit Wartezeiten und Einbahnregelung – entscheiden wir uns: kein Abstecher, keine Schleifen, keine Ehrenrunden. Wir fahren direkt.

Manchmal ist der kürzeste Weg eben doch der sinnvollste – selbst wenn er durch tausend Kurven führt.

Entgegen aller Erwartungen und trotz aller Kurven, Steigungen und Straßenlegenden: Wir kommen erstaunlich gut durch. An beiden berüchtigten Bottlenecks, die die Strecke nach Siliguri sonst gerne zur Geduldsprobe machen, haben wir unglaubliches Timing – sie sind genau in unsere Richtung geöffnet, als wir ankommen.

Mit einer kleinen Pause zwischendurch schaffen wir es tatsächlich, fünf Stunden später nur noch zehn Kilometer vor Siliguri zu stehen. Eine unglaubliche Fahrleistung – für gerade mal 100 Kilometer.

Zur Erinnerung: Wir sind mit dem Auto unterwegs. Nicht mit dem Fahrrad. Auch wenn sich beides zwischendurch ungefähr gleich schnell anfühlt.

Zehn Kilometer vor Siliguri beschließen wir spontan: Jetzt ist doch noch Zeit für einen kleinen Abstecher. Wir fahren zum Evam India Buddhist Monastery, einem ruhigen, eindrucksvollen Tempelkomplex mit angeschlossener Klosterschule – ein Ort der Stille, der Lehre und des Rückzugs. Zumindest im Inneren.

Im Tempel selbst sind alle Besucher spürbar respektvoll. Einige sitzen schweigend in Meditation, andere machen einen tiefen Kotau und versinken ins Gebet. Die Atmosphäre ist ruhig, fast andächtig – getragen vom Duft des Räucherwerks und den leisen Murmeln der Gebete.

Draußen sieht es dann ein wenig anders aus: Die beeindruckende Architektur und das goldene Dach bieten eine perfekte Kulisse für Selfies und Instagram-Videos. Posen, Perspektiven, Filter – spirituelle Selbstdarstellung trifft auf digitale Reinkarnation. Ein bisschen absurd, aber auch irgendwie typisch für die Reise durch dieses Land voller Gegensätze.

Direkt am Evam India Buddhist Monastery entdecken wir einen Zuckerrohrstand. In einer robusten, quietschenden Presse, die aussieht wie eine Kreuzung aus Mangel und Walze, wird das frische Zuckerrohr zu Saft verarbeitet. Heraus kommt eine milchig-gelbe Flüssigkeit – süß, fruchtig, frisch. Natürlich probieren wir ihn direkt vor Ort. Und der Geschmack? Wirklich gut. Ich gebe ihm spontan eine solide 8 von 10 Punkten.

Spannend ist auch: Sobald man hier Obst oder Gemüse kauft – sei es am Marktstand, im kleinen Laden oder eben auch am Zuckerrohrstand – ist es selbstverständlich immer „organic“. Ohne Label, ohne Verpackung, ohne Siegel – einfach so, weil es eben direkt vom Feld kommt.

Da wir seit dem eher überschaubaren Frühstück nichts mehr gegessen haben – abgesehen von einem Glas Zuckerrohrsaft und ein paar Höhenmetern – ist es dringend Zeit für etwas Richtiges. Und vor allem: etwas Scharfes.

Wir fahren in ein Restaurant, das uns empfohlen wurde – und lassen es uns dort richtig schmecken. Gewürze, Dampf, Chili. Endlich wieder Essen, das nicht nur satt macht, sondern auch die Geschmacksknospen aufweckt. Nach einem langen Tag mit Bergen, Tempeln, Saftpressen und spontanem Planwechsel ist dieses Abendessen genau das, was wir gebraucht haben.

Der Tag hätte entspannt ausklingen können – doch Indien hat da noch eine kleine Überraschung für uns parat. Als wir in unser gebuchtes Hotel in Siliguri einchecken wollen, wird uns – trotz bestätigter Reservierung – freundlich, aber bestimmt mitgeteilt: „No foreigners. This hotel is not for foreigners.“

Aha. Kein Hinweis bei der Buchung, keine Erklärung, einfach: kein Zutritt.

Also heißt es nochmal: umplanen, umdrehen, durchatmen. Am anderen Ende der Stadt finden wir zum Glück noch ein freies Hotel und bekommen dort tatsächlich noch Zimmer. Während wir uns durch den abendlichen Verkehr quälen, merken wir sehr deutlich: Wir sind nicht mehr in Sikkim.

Wieder stehen Kühe auf der Straße, es ist laut, staubig, warm. Autos hupen aus Prinzip, Müllberge glitzern im Laternenlicht, der Smog kratzt im Hals. Und ganz ehrlich: Ich vermisse Sikkim. Jetzt schon.

Darjeelingreise 2025 16. April

Um 7:15 Uhr stehen wir pünktlich zum Frühstück bereit – wie verabredet. Einziger Haken: Frühstück gibt’s offiziell erst ab 7:30 Uhr. Unser Fehler. Also warten wir brav die Viertelstunde.

Um 7:30 Uhr… ist das Frühstück leider immer noch nicht fertig. Man verspricht uns, uns anzurufen, sobald es so weit ist. Klingt fair. Um Punkt 8:00 Uhr jedoch starten wir hungrig in den Tag – der Anruf ist ausgeblieben, das Frühstück auch.

Und was schmerzt fast noch mehr: kein scharfes Chili. Kein Tee. In Darjeeling. Ausgerechnet.
Darjeeling, wir lieben dich – aber deine Uhren ticken einfach ein bisschen entspannter.

Wir brechen auf – mit leerem Magen, aber immerhin motiviert. Zuerst heißt es: noch einmal durch das verstopfte Darjeeling. Hupen, Stop-and-Go, kreuz und quer parkende Autos. Ein letzter Abschied vom Chaos.

Ein kurioser Anblick bleibt uns besonders im Kopf: Die Schienen der Schmalspurbahn – des legendären Toy Trains – werden ganz selbstverständlich als Gehweg genutzt. Und vermutlich sind sie tatsächlich der sicherste Ort für Passanten. Zumindest weiß man hier: Der Zug kommt nicht überraschend – und fährt eh eher im Tempo einer müden Straßenkatze.

Kaum haben wir die Stadtgrenze hinter uns gelassen, wird es spürbar ruhiger. Die Straßen werden leerer – die Fahrt aber nicht unbedingt schneller. Mehr als 40 km/h sind einfach nicht drin. Zu viele Kurven, zu viel Steigung, zu viele Momente zum Staunen.

Wir schlängeln uns durch einen satten Regenwald – und das auf 2000 Metern Höhe. Die Aussicht ist spektakulär, der Wald dicht und lebendig. Pinien säumen den Weg, Nebelschwaden hängen in den Wipfeln, und plötzlich: Affen am Straßenrand. Darjeeling lässt uns hungrig, aber staunend weiterziehen.

Im gestrigen Eintrag hatten wir’s ja schon erwähnt: Unser nächstes Ziel ist Sikkim. Und weil man nicht einfach so über die Grenze schlendert, haben wir natürlich brav den Papierkram vorbereitet, der für die Einreise nötig ist – Sikkim ist nämlich nicht nur ein Bundesstaat, sondern eine Welt für sich.

Zeit also für einen kleinen Crash-Kurs:

Sikkim – Geschichte, Geografie und geopolitische Bedeutung

Sikkim ist ein kleiner, jedoch strategisch bedeutsamer indischer Bundesstaat im östlichen Himalaya. Er grenzt im Westen an Nepal, im Osten an Bhutan, im Norden an das autonome Gebiet Tibet (China) und im Süden an den indischen Bundesstaat Westbengalen. Trotz seiner überschaubaren Fläche von rund 7.096 km² spielt Sikkim eine zentrale Rolle in der politischen und kulturellen Landschaft der Region.

Eckdaten
Hauptstadt: Gangtok

Fläche: ca. 7.096 km²

Einwohnerzahl: ca. 610.000 (Stand 2021)

Amtssprachen: Englisch, Nepali, Bhutia, Lepcha

Ethnische Gruppen: Die größte Bevölkerungsgruppe sind Nepalesen, daneben gibt es die autochthonen Lepcha sowie Bhutia und tibetische Flüchtlinge.

Historische Entwicklung seit den 1940er Jahren
Sikkim war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein eigenständiges buddhistisches Königreich, regiert von der Chogyal-Dynastie, die im 17. Jahrhundert gegründet wurde. Mit der Dekolonialisierung Südasiens und der indischen Unabhängigkeit 1947 wurde auch Sikkims Status neu verhandelt. 1950 unterzeichnete das Königreich einen Schutzvertrag mit Indien, der seine Autonomie in inneren Angelegenheiten formal bewahrte, Indien jedoch die Kontrolle über Verteidigung, Außenpolitik und Kommunikation überließ.

Die politische Lage spitzte sich in den 1970er Jahren zu. Die nepalesischstämmige Bevölkerungsmehrheit forderte demokratische Reformen und ein Ende der absoluten Monarchie. 1975 kam es zu einem Referendum, bei dem sich eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für die Integration in die Indische Union aussprach. Die Monarchie wurde daraufhin abgeschafft, und Sikkim wurde als 22. Bundesstaat in Indien aufgenommen.

Sikkims Rolle in Indien
Heute ist Sikkim ein vollwertiger Bundesstaat Indiens, der jedoch aufgrund seiner geografischen und kulturellen Eigenheiten Sonderregelungen genießt – etwa im Bereich des Landbesitzes, der Umweltpolitik oder der kulturellen Selbstbestimmung. Sikkim gilt als Vorreiter in nachhaltiger Entwicklung und war der erste Bundesstaat Indiens, der komplett auf ökologischen Landbau umstellte.

Wegen seiner sensiblen Lage an der Grenze zu China ist Sikkim auch sicherheitspolitisch bedeutend. Die Region um den Nathu-La-Pass – ein wichtiger historischer Handelsweg zwischen Indien und Tibet – wird militärisch streng kontrolliert. Indien unterhält in Sikkim eine starke militärische Präsenz, auch aufgrund wiederkehrender Spannungen mit China.

Beziehungen zu den Nachbarstaaten
Sikkim liegt in einer geopolitisch heiklen Zone, in der verschiedene Einflusssphären aufeinandertreffen. Die Beziehungen zu Nepal sind durch ethnische und sprachliche Verbindungen geprägt, da viele Einwohner Sikkims nepalesischer Abstammung sind. Bhutan und Sikkim teilen ebenfalls kulturelle und religiöse Traditionen, vor allem im Bereich des tibetischen Buddhismus.

Die Grenze zu Tibet/China bleibt ein Spannungsfeld. Zwar erkannte China 2003 offiziell an, dass Sikkim zu Indien gehört, doch kommt es immer wieder zu militärischen Zwischenfällen entlang der Grenze. Die Region ist somit ein geopolitisches Scharnier zwischen Südasien und Ostasien.

Tibeter in Sikkim und der Temi-Teegarten
Ein prägender Teil der modernen Geschichte Sikkims ist die tibetische Diaspora. Nach dem gescheiterten Aufstand gegen die chinesische Besetzung Tibets im Jahr 1959 flohen über 80.000 Tibeter nach Indien, darunter auch der Dalai Lama. Viele dieser Geflüchteten ließen sich in Grenzregionen wie Sikkim nieder, insbesondere in der Hauptstadt Gangtok und umliegenden Gebieten.

Die tibetischen Exilanten haben das religiöse, kulturelle und auch wirtschaftliche Leben Sikkims stark mitgestaltet. Bedeutende buddhistische Klöster wie das Rumtek-Kloster – Sitz des 17. Karmapa – wurden zu geistigen und sozialen Zentren der tibetischen Gemeinschaft im Exil.

Ein Beispiel für gelungene Integration und wirtschaftliche Entwicklung ist der Temi-Teegarten, der einzige staatliche Teegarten Sikkims, gegründet 1969 im Süden des Bundesstaates. Obwohl er nach dem Beginn der Flüchtlingswelle entstand, bot er tibetischen Geflüchteten Arbeits- und Lebensperspektiven in ihrer neuen Heimat. Heute ist der Temi-Garten international für seine Bio-Tees bekannt und steht exemplarisch für nachhaltige Entwicklung in Verbindung mit sozialem Zusammenhalt.

Genug Wissen – Auf dem Weg nach Sikkim passieren wir das Heimatdorf unseres Fahrers – und das merkt man sofort. Nicht nur, weil er auf einmal besonders oft grüßt, hupt und winkt, sondern vor allem, weil er die Strecke kennt wie seine Westentasche. Jede Kurve, jeder Schlag im Asphalt, jeder Trick, wie man eine indische Serpentine elegant meistert – für ihn kein Problem.

Und dann überrascht er uns: Er kennt da einen Ort. Einen Teegarten, von dem wir noch nie gehört haben, mit einem kleinen Aussichtspunkt, der sich perfekt für eine Frühstückspause eignet. Nach dem Darjeeling-Desaster (aka kein Tee, kein Chili, kein Frühstück) müssen wir nicht lange überlegen.

Also fahren wir rauf – Serpentinen, Teebüsche, Sonnenstrahlen. Und plötzlich stehen wir da: mitten im Grünen, mit Blick auf die umliegenden Hügel, blumigem First Flush in der Hand und endlich etwas im Magen. Manchmal führen Umwege eben zu den besten Mahlzeiten.

Auch wenn ich diese Strecke noch nie gefahren bin, kommen mir viele Namen am Wegesrand vertraut vor: Puttabong, Tukvar, Tree Shwarika, Ghoom. Namen, die man sonst auf Label sieht oder bei uns im Laden im Rechnungsprogramm liest. Und plötzlich fühlt sich alles gar nicht mehr so fern an – ein bisschen wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten, mitten im Himalaya.

Langsam nähern wir uns der Grenze zu Sikkim. Um dorthin zu gelangen, müssen wir hinunter ins Tal – denn der Teesta River, mächtig und türkisgrün, trennt uns noch vom nächsten Bundesstaat.

Mit jedem Höhenmeter, den wir verlieren, wird die Straße abenteuerlicher. Der Asphalt verabschiedet sich leise, Schotter übernimmt das Kommando. Die Fahrbahnen der Brücken bestehen jetzt nur noch aus Holzbohlen, die bei jeder Überfahrt verdächtig knarzen. Der Blick nach unten? Besser nicht. Vertrauen ist hier das wichtigste Gepäckstück – in den Fahrer, das Auto und die Brücke gleichermaßen.

Die Landschaft wird wilder, der Verkehr weniger, die Luft feuchter. Wir lassen Darjeeling und die vertrauten Teegärten hinter uns – und fahren weiter ins Unbekannte, Richtung Sikkim.

Sikkim gilt als der grüne Bundesstaat Indiens. Umweltbewusst, sauber, nachhaltig. Man liest, dass dort Plastikflaschen verboten sind – ein klares Zeichen in Richtung Umweltschutz.

Die Realität kurz vor der Grenze sieht dann aber etwas anders aus: Um die Vorschrift einzuhalten, werfen viele Fahrer ihre leeren Plastikflaschen einfach vor dem Grenzübergang aus dem Auto. Das Ergebnis? Direkt in Westbengalen, kurz vor dem Teesta River, türmt sich ein inoffizieller Müllhügel – eine Art Plastik-Altar zur Ehrenrettung von Sikkims Sauberkeitsimage.

Wir haben ernsthaft kurz überlegt, eine NGO zu gründen: “Clean the Border” – mit nichts weiter als ein paar großen Müllcontainern, Aufklärungsschildern und einem Hauch gesundem Menschenverstand.

Aber hey – immerhin will Sikkim sauber bleiben. Irgendwo muss man ja anfangen.

Nach all den Geschichten und den bürokratischen Vorbereitungen hatten wir uns innerlich schon auf einen halben Behördenmarathon eingestellt. Doch der Grenzübergang nach Sikkim? Super easy.

Ein paar Kopien fehlten – kein Problem. Die wurden schnell und unkompliziert vor Ort gemacht. Die Beamten waren freundlich, hilfsbereit und entspannt. Es gab keinen Andrang, keine langen Schlangen, kein nervöses Warten.

Nur Milian mit seinen vier Vornamen sorgt wie immer für leichtes Stirnrunzeln und Verwirrung auf der anderen Seite des Schalters. Aber auch das klärt sich mit einem Lächeln und einem weiteren Stempel.

Ein paar Unterschriften später: Willkommen in Sikkim.

Am Bahnhof Hamburg-Sternschanze einschlafen, am Hauptbahnhof Osaka aufwachen – so in etwa fühlt es sich an, wenn man von Westbengalen nach Sikkim einreist. Natürlich ist es hier nicht so sauber wie in Deutschland, aber im Vergleich zum wilden, chaotischen Westbengalen ist es eine völlig andere Welt.

Die Straßen sind ruhiger, der Verkehr gesitteter, und selbst der Müll scheint sich besser zu benehmen. Statt hupender Jeeps und improvisierter Verkaufsstände empfängt uns gepflegte Zurückhaltung. Es wirkt geordneter, fast wie durchatmen nach Tagen voller Reizüberflutung.

Die Häuser sind schlichter, moderner, oft bunt gestrichen, aber ohne das übliche Durcheinander aus Wellblech und Baustellencharme. An den Straßenrändern blühen Blumen, und an vielen Ecken stehen tatsächlich Mülleimer – die sogar benutzt werden.

Es fühlt sich plötzlich alles etwas strukturierter an, ein bisschen ruhiger, fast höflicher. Und obwohl die Luft nicht kühler ist, wirkt sie irgendwie klarer. Willkommen in Sikkim – wo Indien einen Moment innehält.

Unser Ziel heißt Gangtok – rund 40 Kilometer vom Grenzübergang entfernt. Die Strecke dorthin schlängelt sich weiter durch grüne Berghänge, kleine Dörfer und gelegentliche Kontrollpunkte. Doch mit jedem Kilometer wird klarer: Wir fahren nicht nur in eine andere Region, sondern in ein anderes Mindset.

Gangtok ist die Hauptstadt von Sikkim – und ein echtes Vorzeigestädtchen. Die Stadt wird vollständig mit Wasserkraft versorgt, was für indische Verhältnisse mehr als bemerkenswert ist. Umweltbewusstsein ist hier kein theoretisches Konzept, sondern gelebte Realität: Müll auf die Straße werfen? Wird bestraft. In der Öffentlichkeit rauchen? Verboten. Und das Beeindruckendste: Es gibt tatsächlich Fußwege. Und Mülleimer. Und Menschen, die beides benutzen.

Nach den Tagen in Westbengalen fühlt sich das an wie ein leiser Kulturschock – einer der angenehmen Sorte.

Gangtok hat eine große tibetische Community – und mit ihr natürlich auch eine ordentliche Portion tibetische Küche. Und mal ehrlich: Wann hat man schon mal die Gelegenheit, richtig tibetisch zu essen?

Ich habe mich am Vorabend noch bei indischen Foodbloggern informiert – tief eingetaucht in die Welt von Momos, Thukpa, Shabhaley und Buttertee. Die besten Locations wurden gewissenhaft bei Google Maps eingetragen, die Route optimiert, Zwischenstopps strategisch gesetzt. Ergebnis: ein straffes Foodprogramm. Keine Zeit für kulinarische Zufälle – hier wird mit System gegessen.

Der Plan: So viel probieren wie möglich. Und zwar da, wo es wirklich gut ist. Gangtok, wir kommen – hungrig, vorbereitet und mit großer Vorfreude auf alles, was dampft, duftet und scharf ist.

Mit vollen Mägen – zufrieden und leicht kugelig – lassen wir uns noch durch Gangtok treiben. Wir passieren Tempel, Aussichtspunkte und bunte Häuser, die sich wie Legosteine an den Hang schmiegen. Gangtok ist keine Stadt zum ziellosen Flanieren, sondern eine zum Höhenmeter sammeln.

Denn hier gilt: Wenn man runtergeht, muss man das später wieder hoch. Und wenn man hochgeht – na, du ahnst es – geht’s früher oder später wieder runter. Geradeaus? Gibt’s nicht. Gangtok ist wie die Amalfiküste auf indisch. Malerisch, steil, und garantiert nichts für Leute, die glauben, ein Spaziergang sei eine gemütliche Angelegenheit.

Nach dem Sonnenuntergang – über Hügeln, Dächern und Gebetsfahnen – machen wir uns auf den Rückweg ins Hotel. Die Beine müde, der Bauch voll, der Kopf voller Eindrücke. Gangtok, du hast uns schon am ersten Tag gepackt.

Mit einem Bein schon im Bett und dem anderen mental schon beim Frühstück, erreicht uns plötzlich eine Nachricht, die unseren Plan für morgen kurz mal ins Wanken bringt: Unser westbengalischer Fahrer darf in Sikkim offiziell keine Touristen befördern.

Die Agentur des Fahrers behauptet natürlich das Gegenteil – das gelte nur für indische Touristen, wir als Europäer seien fein raus. Die Leute hier in Sikkim wiederum sagen ganz klar: Ein westbengalischer Fahrer darf hier niemanden befördern – Punkt. Willkommen in der Welt der flexiblen Vorschriften und noch flexiblerer Auslegungen.

Wir entscheiden uns für die sichere Variante. Lieber kein Risiko eingehen, schon gar nicht mit Blick auf unser morgiges Ziel: den Teegarten Temi. Also sagen wir unserem bisherigen Fahrer schweren Herzens für den nächsten Tag ab – und engagieren einen Fahrer aus Sikkim. Denn eines ist klar: Temi lassen wir uns nicht entgehen.

Darjeelingreise 2025 14. April

7:30 Uhr: Frühstück. Mein Magen hat sich offenbar an die Schärfe gewöhnt – entweder das, oder meine Geschmacksknospen sind heldenhaft abgestorben. Lecker ist es jedenfalls immer noch. Besonders das Sambar hat’s mir angetan: würzig, heiß und irgendwie tröstlich, als würde es sagen: „Ja, du bist in Indien – aber keine Sorge, ich pass auf dich auf.“ Wer hätte gedacht, dass ich mal freiwillig um diese Uhrzeit auf Chili beiße – und das auch noch genieße?

Darjeelingreise 2025 – 12. April

Jetlag, Chilis und Warten auf den Fahrer – Unser zweiter Tag in Indien
Nach einem endlosen Flug und gefühlt 37 Stunden zwischen Nickerchen, Turbulenzen und Tomatensaft haben wir eines geschafft, worauf wir ziemlich stolz sind: Wir haben 12 Stunden am Stück geschlafen. Kein Zwischenstopp, kein Jetlag-Wachwerden um 3 Uhr nachts – einfach nur durchgezogen. Mission Tiefschlaf: erfolgreich.

Als wir dann gegen 8:30 Uhr langsam wieder zu Menschen wurden, wartete das nächste Highlight schon auf uns: ein indisches Frühstück, das es echt in sich hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es war gut – keine Frage – aber teils verdammt scharf. Die Chilis haben uns direkt wieder ins Leben zurückgeholt. Willkommen in Indien!

Um 9:30 Uhr sollten wir eigentlich abgeholt werden. Spoiler: wurden wir nicht. Der Fahrer ließ sich Zeit – so wie es hier eben manchmal läuft. Kein Stress, wir waren ja jetzt wach und gut durchblutet vom Frühstück.