Darjeelingreise 2025 – 12. April

Jetlag, Chilis und Warten auf den Fahrer – Unser zweiter Tag in Indien
Nach einem endlosen Flug und gefühlt 37 Stunden zwischen Nickerchen, Turbulenzen und Tomatensaft haben wir eines geschafft, worauf wir ziemlich stolz sind: Wir haben 12 Stunden am Stück geschlafen. Kein Zwischenstopp, kein Jetlag-Wachwerden um 3 Uhr nachts – einfach nur durchgezogen. Mission Tiefschlaf: erfolgreich.

Als wir dann gegen 8:30 Uhr langsam wieder zu Menschen wurden, wartete das nächste Highlight schon auf uns: ein indisches Frühstück, das es echt in sich hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es war gut – keine Frage – aber teils verdammt scharf. Die Chilis haben uns direkt wieder ins Leben zurückgeholt. Willkommen in Indien!

Um 9:30 Uhr sollten wir eigentlich abgeholt werden. Spoiler: wurden wir nicht. Der Fahrer ließ sich Zeit – so wie es hier eben manchmal läuft. Kein Stress, wir waren ja jetzt wach und gut durchblutet vom Frühstück.

15 Minuten später dann Bewegung: Unser Fahrer kommt, wir steigen ein, los geht’s. Aber nicht etwa direkt ins Abenteuer – nein, erstmal zum Rimopcha Office. Was uns dort erwartet? Das war zu dem Zeitpunkt noch unklar. Aber hey, nach so einem Start kann uns eh nichts mehr aus der Ruhe bringen.

So begann also unser erster Tag – mit Schlaf, Schärfe und einer ordentlichen Portion indischer Gelassenheit

Nach unserem Zwischenstopp im Rimopcha Office ging’s endlich los: Jungpana war das Ziel – ein Teegarten mitten in den Bergen, irgendwo zwischen Dschungel und Wolkendecke. Klingt idyllisch? War’s auch. Aber erstmal mussten wir dort hinkommen.

Die Fahrt dorthin dauerte gute zweieinhalb Stunden – aber es fühlte sich eher an wie eine kleine Odyssee mit Hup-Konzert. Siliguri begrüßte uns mit totalem Verkehrschaos. Keine klaren Regeln, keine sichtbaren Fahrspuren – dafür aber: Hupen. Ständiges Hupen. Und das Beste: Keiner fährt. Alles steht, alles hupt – und mittendrin chillen Kühe, völlig unbeeindruckt von menschlichem Stress.

Sobald wir die Stadtgrenze hinter uns gelassen hatten, änderte sich das Bild langsam. Die Straßen wurden schmaler, die Kurven enger, das Gefälle steiler. Wir schraubten uns immer weiter in die Höhe, durch sattes Grün und an kleinen Dörfern vorbei. Die Luft wurde kühler, der Lärm leiser, die Landschaft dramatischer.

Aus dem Fenster schauten wir auf Teeplantagen, die sich wie grüne Teppiche an die Hänge schmiegten – ein schöner Kontrast zur Hupensymphonie von vorher. Auch wenn uns bei der ein oder anderen Kurve leicht flau im Magen wurde (Stichwort: steile Abhänge ohne Leitplanke), war es ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte.

Bei unserer Ankunft im Teegarten Jungpana wurden wir vom gleichmäßigen Geräusch einer Seilrutsche empfangen. Diese Anlage transportiert die frisch gepflückten Teeblätter von den hoch gelegenen Feldern direkt zur Fabrik. Das System ist schnell, ökologisch und ökonomisch effizient, da es den Transport per Fahrzeug ersetzt und dabei keine Emissionen verursacht.

In der Fabrik begrüßte uns Ravindara Chowdhury, der Manager des Teegartens, und führte uns durch die einzelnen Schritte der Teeproduktion. Die erste Station war das sogenannte Welken: Hier werden die frisch gepflückten Blätter auf großen Gittern ausgebreitet und unter kontrollierten Bedingungen belüftet, um ihnen Feuchtigkeit zu entziehen. Beim First Flush, also der ersten Ernte im Frühjahr, beträgt die Welkzeit in Jungpana etwa 19 Stunden.

Bevor wir den nächsten Produktionsschritt, das Rollen, aus nächster Nähe beobachten durften, mussten wir zunächst Schutzkleidung anlegen. Dazu gehörten Überziehkittel, Haarnetze und Überschuhe – Maßnahmen, die der Hygiene und der Qualitätssicherung dienen.

Das Rollen selbst ist ein mechanischer Vorgang, bei dem die Zellstruktur der Teeblätter aufgebrochen wird, um die anschließende Fermentation zu ermöglichen. Dieser Schritt dauert beim First Flush in Jungpana rund 10 Minuten. Die Fermentation erfolgt anschließend sehr kurz – nur etwa 2 Minuten – um die frischen und feinen Aromen dieser frühen Ernte bestmöglich zu bewahren.

Anschließend werden die Blätter in einem Etagentrockner getrocknet. In diesem mehrstufigen System durchläuft der Tee mehrere Ebenen, während warme Luft gleichmäßig über das Blattgut strömt. Der gesamte Trocknungsprozess dauert 21 Minuten. In dieser Zeit wird dem fermentierten Tee die restliche Feuchtigkeit entzogen.

Nach dem Trocknen ist der Tee stabil, haltbar und lagerfähig. Er hat nun seine typische Konsistenz und Farbe erreicht – das trockene Blatt ist beim First Flush dunkelgrün und verströmt bereits einen fein-aromatischen Duft. Erst in diesem Zustand ist der Tee bereit für die abschließenden Verarbeitungsschritte wie Sortierung und Verpackung.

Ein bleibender Eindruck unserer Führung durch die Teefabrik in Jungpana ist die Verbindung von traditioneller Technik und hoher Verarbeitungsqualität. In der Produktion werden größtenteils ältere Maschinen eingesetzt, die teilweise seit Jahrzehnten im Einsatz sind. Trotz ihres Alters wirken sie keineswegs abgenutzt – im Gegenteil: Alle Maschinen sind augenscheinlich sehr gut gewartet und befinden sich in einwandfreiem Zustand.

Auffällig ist auch der hohe Hygienestandard innerhalb der gesamten Anlage. Die Fabrik ist äußerst sauber, was in Kombination mit der Schutzkleidung und den strukturierten Arbeitsabläufen auf ein konsequentes Qualitätsmanagement hinweist.

Insgesamt vermittelt die Produktion in Jungpana ein Bild von Sorgfalt, Erfahrung und einem klaren Anspruch den bestmöglichen Tee zu produzieren, der sich durch alle Stufen – vom Welken bis zur Trocknung – konsequent zieht.

Zum Abschluss unserer Führung hatten wir die Gelegenheit, eine Auswahl der zuletzt produzierten Tees direkt vor Ort zu verkosten. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Geschmacksprofile selbst innerhalb eines einzigen Gartens sein können. Unterschiede in Pflückzeitpunkt, Verarbeitung und Höhenlage führen zu einer erstaunlichen Vielfalt – von floralen, leichten Nuancen bis hin zu vollmundigeren, kräftigeren Tönen.

Wir probierten rund 20 verschiedene Tees, was den Geschmackssinn spürbar forderte. Mit zunehmender Anzahl fiel es schwerer, feine Unterschiede eindeutig wahrzunehmen – ein Erfahrungswert, den sicher viele mit uns teilen würden, die sich intensiv mit Teeverkostung beschäftigen.

Trotzdem konnten wir zwei Tees identifizieren, die uns auf Anhieb überzeugt haben – und die wir direkt vor Ort erworben haben. Es bleibt zu hoffen, dass sie mit dem Münchener Wasser auch noch so gut sind. Ein besonderes Erlebnis, den Tee nicht nur zu probieren, sondern auch die gesamte Entstehung – von der Pflanze bis zur Tasse – nachvollziehen zu können.

Es ist inzwischen kurz vor 16 Uhr, unsere Köpfe sind voll mit Eindrücken und unsere Geschmacksknospen etwas überfordert – Zeit für eine Pause. Im Homestay von Jungpana, das direkt zum Teegarten gehört, gibt’s nochmal etwas zu essen, bevor wir uns von Ravindara und seinem Team verabschieden.

Ein wirklich besonderer Ort, und ein ebenso besonderer Einblick in die Kunst der Teeherstellung.

Doch der Tag ist noch nicht vorbei. Eine Stunde Fahrt später erreichen wir Rajah Banerjees Studio. Dort ist auch Ashwrita Niroula, eine Kleinbäuerin, von dem wir bereits einen First Flush Darjeeling im Sortiment haben. Kurz Hallo sagen, Hände schütteln, ein bisschen über Tee philosophieren – und schon geht’s weiter.

Denn heute steht noch etwas auf dem Programm, das eher nach Ritual als nach Routine klingt: eine Vollmondernte. Noch eine halbe Stunde Fahrt bringt uns zu einem kleinen, naturbelassenen Feld, wo – wenn das Wetter mitspielt – heute Abend bei Vollmond geerntet wird.

Die Idee dahinter: Der Mond beeinflusst den Wasserhaushalt der Pflanzen, ähnlich wie er die Gezeiten lenkt. Das soll dem Tee ein ganz besonderes Aroma verleihen. Ob das wirklich stimmt? Keine Ahnung. Ich habe so einen Tee bisher noch nie probiert, aber allein die Vorstellung ist irgendwie magisch. Und mal ehrlich – wann hat man schon die Gelegenheit, Tee im Mondlicht entstehen zu sehen?

Nach einem Tag voller Eindrücke – von hupenden Kühen über rollende Teeblätter bis hin zu Vollmond-Magie – lassen wir den Abend ganz entspannt ausklingen. Ein kühles Bier, ein paar würzige indische Snacks und eine Runde lustiger Gespräche sorgen dafür, dass der Tag genauso lebendig endet, wie er begonnen hat.

Wir lernen neue Menschen kennen, tauschen Geschichten aus und lachen über kleine Missgeschicke und große Missverständnisse – ganz so, wie es auf Reisen eben sein soll. Der Ort? Ein Homestay in den Bergen, umgeben von Stille, Sternen und dem sanften Rauschen der Nacht.

Irgendwann fallen wir müde, aber zufrieden ins Bett – mit dem Gefühl, dass dieser zweite Tag, in Indien nicht besser hätte starten können.

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